Es kommt oft vor, dass ein emotionaler Satz, der in Anwesenheit einer großen Anzahl von Menschen ausgesprochen wird, eine andere Bedeutung erhält und manchmal sogar zu einem Schlagwort wird. Zu solchen aus dem Kontext gerissenen Ausdrücken gehört der Ausdruck „Stolypin-Krawatte“, was eine Schlinge um den Hals bedeutet. Die Entstehungsgeschichte dieses Ausdrucks, der eine antisoziale Konnotation angenommen hat, verdient wirklich Aufmerksamkeit.
Bedeutung des Ausdrucks
Stolypins Krawatte ist die traditionelle Bezeichnung für ein Seil, das zum Aufhängen verwendet wird. Dieser Ausdruck wird mit den Aktivitäten von Pjotr Stolypin in Verbindung gebracht, dem die Organisation von Massenhinrichtungen von Aufständischen zwischen 1905 und 1907 zugeschrieben wird. Der Ausdruck hat eine stark negative Konnotation und dient dazu, die Persönlichkeit eines der größten russischen Politiker aller Zeiten zu verunglimpfen.
Der Ausdruck „Stolypin-Krawatte“ erinnert an einen anderen ähnlichen Ausdruck mit gleicher Bedeutung – „Hanfkrawatten“. Es ist bekannt, dass Seile meist aus Hanf hergestellt wurden. Der genaue Ursprung des Ausdrucks ist unbekannt, er ist jedoch in der russischen Belletristik des frühen 20. Jahrhunderts weit verbreitet.

Geschichte des Auftretens
Die Geschichte dieses populären Ausdrucks reicht bis in die Jahre 1905–1907 zurück, als nach der Ersten Russischen Revolution in verschiedenen Provinzen des Landes Unruhen ausbrachen, die meist mit massivem Blutvergießen einhergingen. Um die Gewalttaten zu beenden, waren harte Notfallmaßnahmen erforderlich. Deshalb führte der damalige Ministerratsvorsitzende Pjotr Arkadjewitsch Stolypin Militärfeldgerichte ein. Sie konnten über schwerste Verbrechen urteilen. Angesichts der staatlichen Lage wurden die Strafen verschärft. Todesurteile wurden oft durch den Strang vollstreckt. Der liberale Teil der Gesellschaft verstand dieses Vorgehen nicht.
In über 70 % der Provinzen wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Stolypins Anweisung lautete: „Weniger Verhaftungen, mehr Hinrichtungen.“ Später erfuhr er, dass Hinrichtungen durch Erschießen negative Auswirkungen auf das Militär hätten. Daher beschloss man, einen Galgen zu errichten. Stolypin erhielt den Spitznamen „der Henker“ und der Galgen „Stolypins Krawatte“.
Diese Aussage wurde erstmals während einer Sitzung der Staatsduma am 17. November 1907 (alten Stils) gemacht. Die Abgeordneten diskutierten über die Ausweitung der Befugnisse der Militärgerichte. Die Diskussion lief auf Beleidigungen der Persönlichkeit des damaligen Ministerratsvorsitzenden Pjotr Stolypin hinaus.
Der Vertreter der Kadettenpartei, Fjodor Roditschew, betrat das Podium. Er war sehr nervös und äußerte sich daher übermäßig emotional. In seiner Rede verglich er Stolypins Vorgehen mit den Maßnahmen General Murawjows zur Niederschlagung des polnischen Aufstands von 1863. Viele der Anstifter dieser Unruhen wurden gehängt. Solche Aktionen wurden „Murawjows Kragen“ genannt. Daran erinnerte der Kadett, als er sagte, der Kampf gegen die Rebellen könne als „Stolypins Krawatte“ in die Geschichte eingehen.
Die Erklärung wurde vom Publikum mit großer Begeisterung aufgenommen. Stolypin verließ sofort den Saal. Ihm folgten der Vorsitzende der Staatsduma Chomjakow und anschließend alle Minister. Pjotr Arkadjewitsch forderte Roditschew bald zum Duell heraus. Beide waren Adlige, und gemäß ihrem Ehrenkodex musste eine solche Schande mit Blut gewaschen werden. Der Kadett ließ die Situation nicht eskalieren und entschuldigte sich öffentlich beim Premierminister. Dieser erklärte sich großzügig bereit, dem Unverschämten zu vergeben, schüttelte Roditschew jedoch nie wieder die Hand. Diese Konfliktlösung beruhigte die Abgeordneten. Roditschews Satz blieb jedoch unvergessen und wurde berühmt.
Mythen und Wahrheit über den Reformer Stolypin
Vielleicht wäre die skandalöse Aussage im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten, wenn sich die Bolschewiki nicht daran erinnert hätten. Der bissige Ausdruck wurde von der Propaganda der Leningarde verwendet. Die „Stolypin-Krawatte“ wurde zum Symbol der Massenhinrichtungen unschuldiger Bauern, hinter denen der sadistische Minister und seine ähnlichen Untergebenen standen. Dieses ideologische Klischee wurde von Lenin geschaffen, der Pjotr Arkadjewitsch nichts weniger als einen Pogromisten und Henker nannte, der seine Position durch die Misshandlung von Bauern erlangt hatte.
Statistischen Erhebungen zufolge können heute nur 22 Prozent der Russen beantworten, was der Begriff „Stolypin-Krawatte“ bedeutet und welche Geschichte er hat.
Wer unter dem Sowjetsystem studierte, erinnert sich noch gut daran, wie sehr Stolypins Rolle in der russischen Geschichte in Geschichtsbüchern heruntergespielt wurde. Man versuchte, seinen langjährigen Einsatz für das Wohl des Vaterlandes auf eine bloße „Stolypin-Verbindung“ zu reduzieren, obwohl die Feldgerichte den Gräueltaten von 1905 bis 1907, bei denen mehr als 9.000 Zivilisten, Politiker und Soldaten starben, ein Ende setzten.
Ein weiterer Satz ist mit der positiven Arbeit von Pjotr Arkadjewitsch Stolypin verbunden - "Stolypin-Kutschen". Der Politiker bemühte sich um die Entwicklung des riesigen Sibiriens und organisierte ein Programm zur freiwilligen Umsiedlung von Menschen dorthin. Es erwies sich als erfolgreich – innerhalb weniger Jahre zogen etwa 3 Millionen Menschen in unbewohnte Gebiete. Sie wurden in speziellen Waggons transportiert, wobei die eine Hälfte für Familienmitglieder bestimmt war und die zweite, durch eine Holzwand abgezäunte Hälfte Vieh und verschiedene Besitztümer enthielt.
Während der Sowjetzeit wurden diese Waggons zum Transport von Gefangenen nach Zentralasien und Sibirien eingesetzt. Daher mussten sie zusätzlich mit Eisengittern an den Fenstern ausgestattet werden. Trotz dieser Nutzungsänderung blieb der Name der Waggons im Volksmund gleich.
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